Zellner, Tobias; Prasa, Dagmar; Färber, Elke; Hoffmann-Walbeck, Petra; Genser, Dieter; Eyer, Florian (2019): Applikation von Aktivkohle bei Vergiftungen. Deutsches Ärzteblatt, 18. pp. 311-317.
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HINTERGRUND: In Deutschland wurden im Jahr 2016 laut statistischem Bundesamt 178 425 Vergiftungsfälle im Krankenhaus behandelt. Die deutschsprachigen Giftinformationszentren berieten in diesem Zeitraum 268 787 Vergiftungsfälle, wobei in 4,37 % der Fälle die Gabe von Aktivkohle empfohlen wurde. Bei Vergiftungen spielt die Applikation von Aktivkohle als primäre und sekundäre Giftentfernung eine große Rolle. Dieser Beitrag gibt eine Übersicht über die Wirkungsweise, Indikation, Kontraindikationen, Arten der Applikation und Dosierungen der Aktivkohle. *** METHODE: Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in PubMed. Zudem wurde die Meinung von Experten der deutschsprachigen Giftinformationszentren in die Auswertung der Daten miteinbezogen. *** ERGEBNIS: Die Indikation für eine Aktivkohlegabe ist eine vorliegende mittelschwere bis lebensbedrohliche Vergiftung. Die Applikation sollte frühestmöglich innerhalb einer Stunde, bei Retardpräparaten bis zu 6 Stunden nach Ingestion erfolgen. Zu den wichtigsten Kontraindikationen gehört eine Bewusstseinseintrübung mit Aspirationsgefahr ohne vorherige Sicherung der Atemwege. Bei einer Vergiftung mit Säuren/Laugen, Alkoholen, organischen Lösungsmitteln, anorganischen Salzen oder Metallen ist Aktivkohle nicht oder unzureichend wirksam. Als Dosierung sollte ein 10- bis 40-facher Überschuss zur Noxe oder 0,5–1 g/kg Körpergewicht bei Kindern oder 50 g bei Erwachsenen gewählt werden. Eine wiederholte Aktivkohlegabe ist bei Noxen mit langer Verweildauer im Magen, Retardpräparaten oder Noxen mit ausgeprägtem entero-hepatischen und/oder entero-enterischen Kreislauf indiziert. Eine routinemäßige Kombination mit einem Laxans ist nicht empfohlen. *** SCHLUSSFOLGERUNG: Trotz einer hohen Prävalenz von Vergiftungen existiert keine international gültige Leitlinie zur Aktivkohlegabe. Die Applikation erfordert eine genaue Nutzen-Risiko-Analyse, dazu sollte ein Giftinformationszentrum kontaktiert werden.
Item Type: | Article |
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Subjects: | OEBIG > Vergiftungsinformationszentrale |
Date Deposited: | 14 Apr 2020 13:52 |
Last Modified: | 14 Apr 2020 13:52 |
URI: | https://jasmin.goeg.at/id/eprint/1334 |