Lampl, Christina; Krisch, Astrid; Aigner, Ernest; Schmidt, Andrea E. (2023): Hürden für vulnerable Gruppen bei der Umsetzung gesunder und klimafreundlicher Praktiken. Status quo und notwendige Strukturveränderungen. Gesundheit Österreich, Wien.
Hürden_klimafreundliche_gesunde_Praktiken_2022_bf.pdf
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Abstract
Hintergrund
Multiple Herausforderungen belasten aktuell die Gesellschaft, die Umwelt respektive das Klima sowie Gesundheitssysteme national und international. Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die öffentliche und individuelle Gesundheit sind bereits heute erkennbar. Gesundheitliche Chancenungleichheiten sind besonders für vulnerable Gruppen spürbar. An der Schnittstelle zwischen einer nachhaltigen Klimapolitik und einer ebensolchen Gesundheitspolitik sind Handlungsansätze identifizierbar, die sich positiv sowohl auf die Gesundheit der Bevölkerung als auch den Klimaschutz auswirken und als Co‐Benefits bezeichnet werden. Um Handlungsspielräume für sozioökonomisch benachteiligte Personengruppen (in Hinblick auf Klimaschutz) und deren Gesundheit zu verbessern (im Sinne der Gesundheitsförderung), gilt es hilfreiche Maßnahmen für gesunde und klimafreundliche Praktiken zu gewährleisten. Dieser Bericht fokussiert auf die Handlungsfelder Ernährung, Bewegung und Wohnen. Ziel des Projekts ist es, die Forschungsfragen hinsichtlich aktueller Barrieren in Bezug auf gesunde und klimafreundliche Handlungsweisen sowie betreffend notwendige Strukturveränderungen für vulnerable Gruppen zu beantworten. Darauf aufbauend werden notwendige Strukturverände-rungen abgeleitet.
Methoden
Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde ein Mixed‐Methods‐Ansatz verfolgt. Dabei wurden eine Literatursuche in internationalen Datenbanken sowie ein partizipativer Workshop mit Vertreterinnen und Vertretern vulnerabler Gruppen miteinander kombiniert, wobei immer auf die drei Handlungsfelder Mobilität, Ernährung und Wohnen fokussiert wurde. Die Dimensionen des Drei‐Elemente‐Modells nach Shove (materials, competencies and meanings) wurden dabei als Basis für die Analyse herangezogen.
Ergebnisse
Die Ergebnisse hinsichtlich der aktuellen Barrieren sind im Bereich der aktiven Mobilität die fehlende bzw. unzureichende Radinfrastruktur sowie zu schmale und unattraktive Gehwege. Insbesondere bei älteren Erwachsenen und Frauen verursacht die solcherart unzureichende Infrastruktur Stress und Angst, sich aktiv zu bewegen. Fehlende Fahrräder sowie das unzu-reichende Wissen über Verkehrsregeln und eine subjektiv als nicht ausreichend erachtete körperliche Fitness zählen zu weiteren Barrieren. Im Zusammenhang mit gesunden und klimafreundlichen Ernährungspraktiken kann auf Basis der Literatur ähnlich wie bei der Mobilität die fehlende Infrastruktur als Barriere beschrieben werden. Das umfasst den Mangel an gesunden Lebensmitteln in Geschäften, Restaurants und an weiteren öffentlichen Orten wie etwa Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen. Zusätzlich sind zucker‐ und fettreiche sowie stark verarbeitete Lebensmittel häufig billiger und leichter verfügbar sowie omnipräsent in der Werbung. Das Thema Ernährung ist hinsichtlich der Bedeutungszuschreibung ein emotionales. Essen gilt als Statussymbol, und Menschen, die von Ernährungsarmut betroffen sind oder waren, geben einem hohen Kalorienanteil im Essen eine verstärkte Bedeutung. Ergänzend dazu wurde im Workshop erwähnt, dass sich Ernährungsmy-then hartnäckig hielten und z. B. das Fleisch‐Essen als notwendig für das Wachstum erachtet werde. Bezüglich des Handlungsfelds Wohnen wird besonders der unzureichend vorhandene (soziale) Wohnraum, basierend auf entsprechenden Standards und Leistbarkeit, genannt.
Schlussfolgerungen/Empfehlung/Diskussion
Im Rahmen der Analyse konnte identifiziert werden, dass nahezu alle Maßnahmen die notwendig sind, um Barrieren zu überwinden, von politischer Seite umgesetzt werden müssen. Es braucht Strukturveränderungen, um vulnerable Bevölkerungsgruppen zu bestimmten Verhaltensweisen zu befähigen. Dabei ist der Ausbau von Infrastruktur in allen drei Hand-lungsfeldern eine notwendige Voraussetzung. In Hinblick auf Mobilität bedarf es des Ausbaus eines inklusiven und sicheren Fuß‐ und Radwegenetzes, des Ausbaus eines inklusiven und barrierefreien öffentlichen Nahverkehrs, besonders im ländlichen Raum, sowie Maßnahmen zur Stärkung der Verkehrs‐ und Radfahrkompetenz. Im Rahmen der Förderung gesunder und klimafreundlicher Ernährungspraktiken ist ein lokales Angebot in Form von Supermärkten und Restaurants, welche den Großteil ihres Angebots auf gesundheitsfördernden und klimafreund-lichen Standards basieren, notwendig. Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen sollen gesunde und klimafreundliche Mahlzeiten anbieten. Eine umfassende Kostenwahrheit mit entsprechenden agrarpolitischen Subventionierungen ist notwendig. Die Ernährungskompetenz sollte möglichst früh im Rahmen des Bildungswegs gefördert werden. Leistbarer Wohnraum für alle muss unter Einhaltung bestimmter Mindeststandards zur Verfügung gestellt werden. Es gilt über das Konzept der transdisziplinären Raumplanung und der Neudefinition des öffentlichen Raumes, z. B. in Form des Ausbaus von Caring Communities, zu diskutieren, dessen Umsetzung als notwendige Strukturveränderung beschrieben wird.
Item Type: | Monograph (Project Report) |
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Subjects: | OEBIG > KoKuG – Abteilung Klimaresilienz und One Health |
Date Deposited: | 05 Apr 2023 18:49 |
Last Modified: | 13 Jun 2024 07:33 |
URI: | https://jasmin.goeg.at/id/eprint/2771 |